Europera ist ein Wortspiel, es kann gelesen werden als „Your Opera“ oder als „Europe’s Operas“. John Cage meint dazu, dass die Europäer 200 Jahre lang den Amerikanern ihre Opern geschickt haben. Er schickt sie ihnen nun alle auf einmal zurück.
Europeras 3&4 sind die beiden mittleren „operas“, flankiert von den aufwändigen „Europeras 1&2“ und dem viel einfacheren „Europera 5“. Europera 3 ist eine 70-minütige Geräusch-Kollage aus Musik, die die gesamte westliche Operntradition zeigt. Europera 4 ist intimer, was die Dichtheit des Materials betrifft. Beide Werke müssen immer gemeinsam aufgeführt werden, und zwar nacheinander, weil so eine besondere, widersprüchliche, aber allumfassende Darbietung der Operngeschichte geboten werden kann.
Die einzelnen Elemente sind Bestand der klassischen Opernliteratur, keine Komposition von Cage. In Europera 3 spielen 2 Pianisten Auszüge aus Liszts Opern-Pharaphrasen, während 6 Sänger:innen ihre frei gewählten Arien singen und gleichzeitig Musik von 6 Plattenspielern ertönt. In Europera 4 gibt es eine Reduktion auf 1 Pianisten, 2 Sänger:innen und 1 Plattenspieler. Ein Computerprogramm bestimmt, wann die Sänger:innen, die Pianist:innen oder die Schallplattenspieler zu agieren haben. Die einzelnen Elemente sind „unabhängig voneinander, existieren aber nebeneinander“. Diese “irreversible Negation der Oper an sich“ ist eine späte Antwort Cage’s auf Pierre Boulez Aussage, dass die eleganteste Lösung für Opernprobleme wäre, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen.
Der Dirigent wird durch eine Uhr ersetzt, es gibt keinen „Führer“ mehr durch die Partitur als die Zeit an sich. Die Zufallsvorgänge sind als eine Reaktion auf Schönbergs strenge 12-Ton-Technik und als Revolte gegen Wagners “Oper als Gesamtkunstwerk” zu sehen, aber vor allem sind sie gegen eine autoritäre Gesellschaft, deren Ausdruck diese Musik ist, gerichtet. Cage’s Intention war es, eine Oper zu schreiben, die das Ende aller Opern sein sollte.
In der Aufführung durch die Kammeroper Salzburg wird Cage’s Prinzip der Freiheit und des Zufälligen weitergedacht. Exklusiv für das Festival MKT schrieb die junge Salzburger Autorin Anja Bachl Texte, die auf das Festivalmotto “Zwischen den Zeiten” Bezug nehmen.
Das Ensemble der Kammeroper Salzburg wird Bachls Text in einer freien Improvisation realisieren. Anja Bachl ist Kunsttherapeutin, Künstlerin und freie Schriftstellerin. 2021 wurde sie mit dem Irma-von-Troll-Borostyáni-Preis für journalistische Beiträge und dem Georg-Trakl-Förderungspreis für Lyrik ausgezeichnet.
KAMMEROPER SALZBURG
Electra Lochhead & Zsófia Szabó - Sopran
Katrin Heles & Tatiana Kuryatnikova - Alt
Alexander Hüttner & Ivan Sánchez-Águila - Tenor
Jakob Hoffmann & Nils Tavella - Bass
Gereon Kleiner & Lei Meng - Klavier
Michael Hofer-Lenz - Regie, Licht, Programmierung
Gordon Safari - Musikalische Einstudierung, Leitung